Gedanken zum Jahresende…über Hoffnung.
Hoffnung zu haben ist bei ME /CFS janusköpfig. Einerseits kann/darf/will man die Hoffnung nicht verlieren – andererseits hat man schon oft vergeblich gehofft, dass eine Behandlung hilft, der nächste Tag besser wird oder keine weiteren Verschlechterungen eintreten.
Sich die Hoffnung zu bewahren ist wichtig, aber als Mutter eines von ME/CFS betroffenen Kindes und mit den Erlebnissen in der NichtGenesenKids – Community fängt man an, die Hoffnung in ein Dosierfläschchen umzufüllen und lässt sie lieber nur noch tröpfchenweise raus. Eine Hoffnungsüberdosierung ist in unserer Situation nämlich nicht nebenwirkungsfrei.
Nach einem großen Hoffnungsschluck bei dem die erwartete Hauptwirkung wieder nicht einsetzte, stellt sich als Nebenwirkung nämlich alsbald ein gewisses Maß an Resignation ein.
Resignation erschwert jedoch die Atmung, nimmt noch mehr Lebensfreude und ab welcher Resignationsstufe Verbitterung einsetzt, möchte ich bitte nicht testen.
Der Lauf dieses Jahres war so unvorhersehbar wie niemals zuvor, brachte aber mit jeder neuen Schwierigkeitsstufe ein weiteres Fläschchen Hoffnung mit sich. Ich bewahre sie alle achtsam auf, öffne sie stets vorsichtig und dosiere mit Bedacht.
Wir erleben in der NichtGenesenKids – Community oft Hoffnung und Verzweiflung gleichzeitig. Der eine wendet sich im absoluten Tief an die Gemeinschaft und beim nächsten hat doch irgendwas jetzt für einen Aufwärtstrend gesorgt. Gestern erhielt ich einige Nachrichten, dass NichtGenesenKids das Beste ist, was denjenigen in diesem Jahr passiert ist. Das gilt auch für mich. Keiner versteht eine Situation so gut wie ein selbst Betroffener.
Ich wünsche uns allen Hoffnung für 2024 in der richtigen Dosis. Sei es für neue medikamentöse Ansätze, andere Beschulungswege, Therapien, mehr Anerkennung, Aufklärung und Forschung oder bei der Suche nach der richtigen ärztlichen Versorgung. Gebt die Hoffnung nicht auf, stellt sie vielleicht mal kurz in den Schrank und lasst sie ruhen, aber dann nehmt sie vorsichtig wieder heraus und betrachtet das Licht, dass durch das Fläschchen scheint.
[Soleil Völkl, 30.12.2023]