Mein Unwort des Jahres 2024 zu finden, fällt mir gar nicht so leicht. Die Kandidatenvielzahl ist hoch…
Ich habe mich für das eigentlich unspektakuläre Wort Lösung entschieden.
Ich meine damit den Begriff im Sinne eines Ergebnisses zur Bewältigung einer Problemlage, einen Handlungsschritt oder eine Entscheidung. In diesem Jahr nervt mich nämlich ehrlich gesagt besonders das Mitteilungsbedürfnis von Menschen, die Lösungen für Probleme aller Art anbieten ohne den individuellen Einzelfall zu berücksichtigen, sich tiefergehend mit der Materie beschäftigt zu haben oder von sich auf andere schließen.
Nicht für jedes Problem gibt es eine Lösung. (Wenn euch langweilig ist und ihr Mathefans seid, googelt doch mal „Halteproblem“ – seid ihr philosophisch affin, dann nehmt z.B. „Trolleyproblem“.)
Zudem passt nicht jede Lösung zu jeder Person. Fragt man einen Wal, ob´s im Salzwasser schön ist, würde der wohl mit „Ja“ antworten, wenn er sprechen könnte. Eine Katze hingegen fände die gleiche Umgebung sicherlich nicht so nett. Und warum? Weil beide Wesen völlig unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Eigene Lösungen als das ultimative Ding der Wahl anzupreisen, am besten noch ungefragt oder mit dem Zusatz „Ich will doch nur helfen“ stößt deshalb nicht unbedingt auf Gegenliebe, egal wie gut gemeint das sein mag. Im ME/CFS Universum riskiert man mit sonst üblichen Standardvorgehensweisen und Lösungsansätzen (z.B. Stichwort Reha) nicht selten sogar erhebliche Verschlechterungen. Besonders hier müssen Lösungen individuell gefunden werden und nicht selten gibt’s keine.
Für 2025 hab ich mir vorgenommen, mich auch mal an die eigene Nase zu fassen. Wie viele Menschen neige ich dazu, helfen zu wollen, wenn mir jemand ein Problem schildert. Manchmal jedoch ist eine vorschnelle Lösung nicht hilfreich, sondern ein „Ich erkenne dein Problem“, ein „Ich sehe dich“ oder „Ich verstehe“ ohne Präsentation einer Lösung angemessener. Hin und wieder erzählt jemand ein Problem vielleicht nur, weil er es nicht allein tragen möchte. Hören wir uns also bitte mehr zu und bemühen uns um einen Perspektivwechsel.
[Soleil Völkl, 27.12.2024]