Willkommen auf unserer Informationsseite für Jugendämter. Hier finden Sie wichtige Informationen zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die an Long Covid, Post Covid, Post Vac oder Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) leiden. Wir hoffen, Ihnen nützliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um Ihre Arbeit zu erleichtern und die betroffenen Familien bestmöglich zu unterstützen.
Post Covid und Post Vac, was bedeutet das?
Long Covid, Post Covid und Post Vac bei Kindern können zu anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Zu den häufigsten Symptomen gehören Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Störungen des Herz-Kreislaufsystems, gastrointestinale Beschwerden und Belastungsintoleranz – dies ist sehr individuell. Mehr als 200 verschiedene mögliche Symptome sind inzwischen bekannt. Die Beschwerden können das tägliche Leben und die schulischen Leistungen sowie Teilhabe der betroffenen Kinder erheblich beeinträchtigen. Bei vielen Kindern und Jugendlichen bessern sich die Beschwerden mit der Zeit – es kann jedoch insbesondere bei falschem Krankheitsmanagement zu einer Abwärtsspirale kommen. Der Gesundheitszustand der Kinder verschlechtert sich dann weiter. Es ist deshalb wichtig, dass betroffene Familien und Fachkräfte wie Jugendämter, Schulen und Ärzte eng zusammenarbeiten, um eine angemessene Unterstützung und Versorgung sicherzustellen.
Was ist ME/CFS?
ME/CFS ist eine schwerwiegende, chronische Multisystemerkrankung, die nach einer Infektion, einer Impfung oder zum Beispiel Wirbelsäulentraumata auftreten kann.
ME/CFS tritt auch als schwerste Form von Long Covid nach einer Coronainfektion auf.
Bei Erkrankten treten teils sehr massive Erschöpfung, kognitive Beeinträchtigungen und autonome Dysfunktionen verschiedener Organsysteme auf. Es handelt sich um eine körperliche Erkrankung – keine psychische oder psychosomatische. Hauptsymptom ist die sog. Belastungsintoleranz, auch Post-Exertionelle Malaise (PEM) genannt (ergänzende Info > Link) – eine langanhaltende oder potentiell dauerhafte Verschlechterung nach einer Aktivität.
Der Belastungsgrad kann hierbei so stark herabgesetzt sein, dass selbst Zähneputzen oder Duschen den verfügbaren Aktivitätsrahmen überschreiten können und ein Verlassen des Hauses unmöglich wird.
Eine einfache aber eindrucksvolle Animation zum Thema PEM wurde von Winston Blick auf X gepostet (> Link). Für den schnelleren Zugriff haben wir den Post hier eingebunden.
Auch das Erklärvideo von Andreas Krambrich und Mia Diekow (Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland) können wir an dieser Stelle empfehlen (> Link).
Diagnose und Versorgung
Die Diagnose von ME/CFS erfolgt durch Ausschlussdiagnostik, da es keinen spezifischen Biomarker gibt. Es bedarf einer spezialisierten Versorgung der Erkrankten, diese sollte auf Symptommanagement und Pacing, also der Anpassung von Aktivitäten zur Vermeidung von Überanstrengung, ausgerichtet sein. Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche ihre Aktivitäten innerhalb ihrer individuellen Belastungsgrenzen halten.
Medizinische Versorgungsstrukturen für ME/CFS und Post Covid für Kinder und Jugendliche befinden sich erst im Aufbau (Fördermöglichkeiten gibt es seit 2024 im Bundeshaushalt). Aktuell gibt es in Deutschland nur ein versorgendes Zentrum für ME/CFS – das Chronic Fatigue Center in München. Wartezeiten auf Diagnosetermine sind oft sehr lang (mehrere Monate).
Auch zu Pacing gibt es ein Erklärvideo von Andreas Krambrich und Mia Diekow (Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland) welches wir empfehlen können (> Link).
Richtlinie und Prävalenz
Die neue Post-COVID-Richtlinie des G-BA (> Link) betont die Notwendigkeit einer standardisierten und interdisziplinären Diagnostik. Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gibt in Deutschland etwa 500.000 Betroffene, darunter 80.000 Kinder (> Link). Die Fälle haben sich durch die Pandemie schätzungsweise verdoppelt. Die Erkrankung wird häufig nicht erkannt und daher ist von einer noch höheren Dunkelziffer auszugehen.
Gefahren und Probleme
Falsches Krankheitsmanagement kann zu einer – im schlimmsten Fall dauerhaften- Verschlechterung des Gesundheitszustands führen. Besonders problematisch ist die krankheitsbedingte Schulabstinenz betroffener Kinder, die oft zu Fehlinterpretationen und falschen Entscheidungen führen kann. Ein auf die Bedürfnisse der Kinder angepasstes Belastungsmanagement ist unerlässlich, es kann sein, dass dies einen regulären Schulbesuch unmöglich macht.
Je nach Erkrankungsschwere können leichter erkrankte Kinder nicht am Schulsportunterricht teilnehmen, den Schulweg nicht mehr bewältigen oder Bücher nicht tragen. Sie sind in ihrer Freizeitausübung beeinträchtigt und können geliebten Hobbys nicht mehr nachgehen. Schwerer erkrankte Kinder sind in ihrer Teilhabefähigkeit massiv beeinträchtigt, haben krankheitsbedingt massive Schulfehlzeiten oder können die Schule gar nicht mehr besuchen.
Die sog. Bell-Skala hat sich in der internationalen Diagnostik und Forschung etabliert, um die Schwere von ME/CFS zu beurteilen. Die Skala lässt sich auf Seite vier des verlinkten PDFs abrufen: Fragebogen der Charité mit Bell-Skala (> Link).
Durch klassische Rehabilitationsangebote ist keine Steigerung der Leistungsfähigkeit möglich. Siehe hierzu auch bei „Info für Ärzte“ auf Website (> Link) und die S2k-Leitlinie COVID-19 und (Früh-) Rehabilitation (> Link).
Wie können Sie als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin im Jugendamt betroffene Familien unterstützen?
- Eignen Sie sich Kenntnisse über ME/CFS, Post Vac und Post Covid an. Es ist essentiell, dass Jugendamtsmitarbeiter über diese Krankheitsbilder informiert sind.
- Tauschen Sie sich mit anderen Fachkräften über die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit ME/CFS aus und seien Sie Multiplikator für dieses Wissen in Ihrem Umfeld.
- Die Erkrankungsbilder können zu hohen Schulabstinenzen führen, die Kinder und Jugendlichen sind nicht selten erheblich krankheitsbedingt in ihrer sozialen und bildungstechnischen Teilhabe eingeschränkt. Oft sind die betroffenen Minderjährigen nicht regelbeschulbar. Sie können unterstützen, in dem Sie Familien und Schulen auf individuelle Nachteilsausgleiche, die Beteiligungsmöglichkeit sonderpädagogischer Dienste und Ideen zu Anpassung der Beschulungsbedingungen (s. hierzu auch unser Ideenpapier Bildung > Link) und zu alternativen Schultransporten aufmerksam machen.
- Informieren Sie sich bei zum Krankheitsbild kompetenter ärztlicher Versorgung, wenn Sie Fragen zur Erkrankung, den Folgen und dem Umgang damit haben. Informationen hierzu finden Sie auch auf unserer Website. Zudem bietet NichtGenesenKids e.V. die Möglichkeit, kostenlose, kurze Onlineinhouseschulungen für Behörden mit im Krankheitsbild kompetenten Ärzten anzufragen. Schreiben Sie uns einfach eine Mail an vorstand@nichtgenesenkids.de
- Weisen Sie betroffene Familien auf Verfahrenslotsen hin und informieren Sie über zum Beispiel Angebote der Jugendhilfe für gesunde Geschwisterkinder (z.B. Geschwisterclubs, Ferienangebote) > Link
- Weisen Sie betroffene Familien auf die Angebote der BAG–Selbsthilfe, Long Covid Plattform hin (> Link).
- Weisen Sie Familien auf unsere kostenlosen Informationsveranstaltungen, Aufklärungsvorträge und Hilfestellungen hin (> Link).
Warum tun wir das?
Unser Ziel ist es, dass zwischen Jugendämtern, Schulen und betroffenen Familien eine vertrauensvolle Kommunikation stattfinden kann. Wir möchten sicherstellen, dass das Krankheitsbild bekannt ist und dass betroffenen Familien adäquat geholfen werden kann.
Für weitere Informationen oder bei Fragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche mit ME/CFS und Long Covid die bestmögliche Unterstützung erhalten.
In dringenden Fällen kontaktieren Sie uns als Jugendamtsmitarbeiter gerne unter vorstand@nichtgenesenkids.de mit dem Betreff: Dringender Beratungsbedarf Jugendamt (Name des Amts)
Eine Einzelbetreuung für Familien ist uns aus Kapazitätsgründen leider nicht möglich. Eine Peerberatung kann jedoch innerhalb unserer Community erfolgen, dazu bitte die kostenlose Aufnahme in diese über unsere Website beantragen (> Link).
Beschulung während der Erkrankung > Link
Relevante Info/Beiträge
Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Long Covid, Post Vac oder ME/CFS
Video: Bildung per Avatar (No Isolation)
AWMF S1-Leitlinie Long/ Post-COVID – Living Guideline — Update vom 18.09.2024
München: Austausch mit dem Bay. Landesjugendamt und MdB Peter Aumer
AWMF S1-Leitlinie Long/ Post-COVID – Living Guideline
[Jugendamt]