Wie es uns geht – eine Bestandsaufnahme
Gerade schrieb ich einer anderen Mutter folgende Worte: “Ich wünsche dir jeden
Tag die Kraft für einen weiteren Tag.”
Mittlerweile überlege ich, ob ich das als Affirmationskarte drucken lasse und im NichtGenesenKids Vorstand verteile… eigentlich sollten wir es dann auch gleich an unseren Spiegel hängen, damit wir es jeden Morgen lesen können.
Inzwischen haben wir so viele Mitglieder, dass Einzelereignisse mit erheblichem Aufregepotential keine Einzelereignisse mehr sind! Täglich hat irgendjemand berechtigte Bedenken, dass Schule oder Jugendamt das Krankheitsbild nicht versteht und es Ärger gibt. Rollstühle werden nicht bewilligt, weil das Kind doch ohnehin nicht zur Schule kann, wozu braucht es dann einen Rollstuhl? Kunsttherapie wird angeboten, wo medizinische Hilfe
erforderlich wäre.
Geht’s eigentlich noch???
Grundsätzlich fällt es mir nicht schwer meine Gedanken in Worte zu fassen.
Heute schon. Denn ich weiß gar nicht, was ich denke, weil ich nicht weiß, was ich fühlen soll. Irgendwas zwischen Resignation und Wut könnte es sein. Bin aber nicht sicher. Für Verzweiflung oder Tränen bin ich heute jedenfalls zu müde. Mein Körper hat in einen Überlebensmodus geschaltet, der dazu führt, dass ich mechanisch Schriftstücke verfasse, koche und irgendwie da bin. Ich lebe, aber es geht mir nicht gut.
Ein Vorbild ist mir mein Sohn. Beschränkt auf ein Minimum an verfügbarer Zeit nutzt er diese zum Beispiel, um per Videokonferenz mit Freunden Wahrheit oder Pflicht zu spielen und seine Mutter in diesem Zusammenhang mit provokanten Fragen sprachlos zu machen (Das muss man erstmal schaffen!). Oder heute mit dem Wunsch, zum etwa zwanzigsten Mal mit mir “Die Känguruchroniken” anzuschauen und jeden dritten Satz des Kängurus mit den Worten: “Das ist wirklich ein
literarisches Meisterstück” zu kommentieren.
Keine Ahnung, woher du deine Resilienz nimmst, mein Kind, aber wenn du sie hast, kann ich mir einfach nur ein Beispiel nehmen. Heute jammere ich noch ein bisschen, wie bescheiden alles ist und morgen bin ich dann wieder optionslos hoffnungsvoll.
Ich wünsche allen jeden Tag die Kraft für einen weiteren Tag.
[Soleil Völkl, 13.3.2024]